Die Zeit der Abrechnung ist da

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Apokalypse

Die siebte Posaune. Kap. 11, Vers 17-19. Die Zeit der Abrechnung ist da

Als dann aber Gottes Langmut zu Ende war und er seine Herrschaft antrat – es ist immer noch prophetische Vergangenheit, nicht geschichtliche -, fingen die Völker vor Zorn zu toben an, als greife einer in ihre Rechte ein. Sie hatten geglaubt, ihn ungestraft ignorieren oder verspotten zu dürfen. Doch das Toben beschleunigt nur ihren Untergang; denn nun entbrennt der Grimm des Herrn gegen die Aufrührer (Ps. 2, 1ff; 99 [98], 1). Der Zeitpunkt der großen Abrechnung ist da. Das Gericht über die Toten beginnt in seiner Doppelfunktion als Belohnung der Guten und Bestrafung der Bösen. Die Märtyrerseelen sehen nun ihr Gebet erhört (6, 9-11). Vier Gruppen von solchen, die Lohn empfangen, werden genannt, wenn nicht der erste Ausdruck „deinen Knechten“ alle folgenden zusammen faßt oder zu den Propheten zu ziehen ist wie 10, 7. Propheten sind die vom Gottesgeist erfüllten, für seine Sache eifernden Künder der Wahrheit im Alten wie im neuen Bund. Heilige heißen, wie schon oft erwähnt wurde, die Christen als auserwählte und Gottgeweihte. Unter denen, die den Namen Gottes fürchten, sind hier nicht die Proselyten Israels aus dem Heidentum zu verstehen, die noch nicht ganz übergetreten waren. Sollte Johannes damit die Taufbewerber meinen, so wäre das ein neues Zeugnis für das Bewusstsein der Urkirche, als neu-testamentliches Gottesvolk in die Recht Israels eingetreten zu sein. Vielleicht sind aber auch jene hinzu zu rechnen, die ohne ihre Schuld nicht zur vollen Erkenntnis der Wahrheit und zum Glauben an Christus gelangen, jedoch ernstlich die Wahrheit suchen und Gott dienen, so gut sie es vermögen. Keiner wird bei der Zuteilung des Lohnes vergessen, auch jene nicht, die hienieden still und unbekannt ihren Dienst taten. Bei dem höchsten Richter gilt kein Ansehen der Person. Ob einer fünf Talente empfangen hat oder nur eines, gibt nicht den Ausschlag, sondern ob er ein guter und getreuer Knecht gewesen ist. Diesen Glücklichen sind jene gegenüber gestellt, die „Verderben der Erde“ waren. Dazu gehören alle, die von der ersten Sünde an die Erde mit Fluch beladen und die Schöpfung zu eigensüchtigen Zwecken missbraucht, sie also von ihrer Wesensbestimmung, Gott zu verherrlichen, weg gezogen haben: die gefallenen Engel wie die verdorbenen Menschen. Ihre Sünde hat die Völker mit Schmach bedeckt (Spr. 14, 34). Nun wird der Richter den Verderbern der Erde Gleiches mit Gleichem vergelten und sie selbst verderben (vgl. Matth. 21, 41). Wie der göttliche Zorn sich auswirkt und das Gericht an den Bösen vollstreckt wird, berichtet der Seher später (19, 17ff; 20, 4ff). Fast unmerklich ist er im zweiten teil des 18. Verses wieder zur Zeitform der Gegenwart übergegangen. Noch weilen ja in Wirklichkeit die Gottesfürchtigen auf Erden, und noch dauert die verderbliche Macht der Gottesverächter an.

Was die Himmelsstimmen (Vers 15) und der Ältestenchor (Vers 16-18) in ihren Sieges- und Dankeshymnen dem Ohr verkündeten, das darf nun Johannes in einem symbolischen Vorgang schauen. Die Pforten und Vorhänge des himmlischen Tempels öffnen sich weit und geben den Blick frei bis ins Allerheiligste. Die Bundeslade, seit der Zerstörung des Salomonischen Tempels verloren, aber allzeit das Symbol der besonderen Gottesnähe und darum Gegenstand der eschatologischen Erwartung Israels (2. Makk. 2, 4ff; Apok. Baruch 6, 5ff), wird sichtbar. Nie durfte im Tempel jemand sie sehen außer dem Hohenpriester, wenn er einmal im Jahr am großen Versöhnungstag das Allerheiligste betrat. War schon beim Tode des Erlösers der Vorhang, der sie den Blicken entzog, solange sie noch da war, von oben bis unten zerrissen (Mark. 15, 38 u. Parall.), so steht nun die Bundeslade allen Himmelsbewohnern sichtbar da. Gottes Bund mit der Menschheit tritt voll in Kraft. Einen „neuen Bund“ hat ihn Christus genannt (Luk. 22, 20; 1. Kor. 11, 25). Als „neuen und ewigen Bund“ bezeichnet ihn die Messliturgie in den Wandlungs-Worten im Anschluss an Hebr. 13, 20. Alles Trennende zwischen Gott und seinen Seligen ist gefallen; sie sind daheim im Tempel Gottes, dem himmlischen Vaterhaus. Später geht der Seher näher auf die Beschreibung dieses ewigen Glücks der Gottesgegenwart ein (21, 1ff). Hier ist die Erscheinung ein vorweg genommenes Trost- und Ermutigungs-Motiv. Denn ehe die selige Vollendung wirklich da ist, hat die Menschheit und namentlich die Christenheit noch Schweres zu bestehen. Noch ist der Teufel nicht gestürzt; und er gibt seine Herrschaft als Fürst dieser Welt nicht kampflos auf. Wie in einem unheimlichen Wetterleuchten kündet sich ein verheerender Gewittersturm an, bei dem die Erde bebt. Die „Götterdämmerung“ bricht an, in der Satan mit seinem ganzen Anhang gestürzt wird. Dieser letzte Teil der grandiosen Vision ist gleichsam das Amen der Natur auf die Siegeslieder der beiden Himmelschöre. Wenn der Allherrscher zum Gericht naht, hält sich die Schöpfung bereit, das Urteil seines gerechten Zornes an denen zu vollstrecken, die sie durch die Sünde ins Verderben hinein gezogen haben. „Die ganze Welt zieht mit ihm in den Kampf gegen die Toren“ (Weish. 5, 20). –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XVI.2, 1942, S. 171 – S. 172
siehe auch die Beiträge zu: Themenbereich Apokalypse

Category: Apokalypse
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