Über die vollkommene Andacht zu Maria

Haß der Verworfenen gegen Maria

Gott der Vater will sich bis zum Ende der Welt durch Maria Kinder erzeugen und spricht zu Ihr die Worte: „In Iacob inhabita (Ekkl. 24,13). Nimm Wohnung in Jakob“, d. h. schlage deine bleibende Wohnstätte auf in meinen Kindern und Vorherbestimmten, die in Jakob vorgebildet sind, nicht aber in den Kindern des Teufels und den Verworfenen, die in Esau vorgebildet sind.
30. Wie es in der natürlichen und körperlichen Abstammung einen Vater und eine Mutter gibt, so gibt es auch in der übernatürlichen und geistigen Zeugung einen Vater, nämlich Gott, und eine Mutter, nämlich Maria. Alle wahren Kinder Gottes und Vorherbestimmten haben Gott zum Vater und Maria zur Mutter, und wer Maria nicht zur Mutter hat, der hat Gott nicht zum Vater. Darum haben die Verworfenen, wie die Irrlehrer, die von der Kirche Getrennten usw., welche gegen die heiligste Jungfrau Haß oder Verachtung oder Gleichgültigkeit hegen, Gott nicht zum Vater, wenngleich sie sich dessen rühmen, weil sie Maria nicht zur Mutter haben. Denn wenn sie Maria zur Mutter hätten, so würden sie ihre Mutter lieben und ehren, wie ein wahres und gutes Kind seine Mutter, die ihm das Leben geschenkt hat, natürlicherweise liebt und ehrt.
Das untrüglichste und unzweifelhafteste Merkmal, um einen Ketzer, einen Mann falscher Lehre, einen Verworfenen von einem Vorherbestimmten zu unterscheiden, liegt darin, daß der Irrlehrer und der Verworfene der heiligsten Jungfrau nur Geringschätzung oder Gleichgültigkeit entgegen bringen, indem sie durch Worte und Beispiele, offen oder versteckt, manchmal unter schönen Vorwänden die Andacht und Liebe zu Ihr zu schmälern suchen. Ach, Gott der Vater hat nicht zu Maria gesagt, Sie solle Wohnung in ihnen nehmen, denn sie sind Kinder Esaus.

32. “Ein Mensch und ein Mensch ist in ihr geboren worden“, sagt der Heilige Geist. Homo et homo natus est in ea. (Ps. 86,5) Nach der Auslegung einiger Väter (Anm.: z.B. des Origenes, dem der hl. Bonaventura folgt) ist der erste Mensch, der in Maria geboren wurde, der Gottmensch Jesus Christus, der zweite ein bloßer Mensch, als angenommenes Kind Gottes und Mariä. Wenn Jesus Christus, das Haupt der Menschen, in Ihr geboren wurde, so müssen in notwendiger Folge auch die Vorherbestimmten, die Glieder dieses Hauptes, in Ihr geboren werden. Die gleiche Mutter bringt nicht das Haupt ohne die Glieder, noch die Glieder ohne das Haupt zur Welt; sonst wäre dies eine Ungeheuerlichkeit der Natur. So werden auch in der Ordnung der Gnade Haupt und Glieder von der gleichen Mutter geboren; und wenn ein Glied des mystischen oder geheimnisvollen Leibes Christi, d.h. ein Vorherbestimmter, von einer anderen Mutter geboren würde als von Maria, die das Haupt hervorgebracht, so wäre es eben kein Vorherbestimmter und kein Glied Jesu Christi, sondern eine Ungeheuerlichkeit in der Ordnung der Gnade.

aus: Ludwig Maria Grignion de Montfort, Gesammelte Werke, I. Band, 1925, S. 16-19