Katholische Dogmatik

Wenn die Kirche Verdammte kanonisieren würde

Charles René Billuart

Wenn die Kirche in der Canonisation von Heiligen irren würde, dann würde sie das in eine schwere Verachtung und Verunehrung führen, weil sie nämlich die Dämonen verlachen würden, da sie sähen, daß sie jemand als Gefährten ihrer Verdammnis haben, der von den Gläubigen wie ein Freund Gottes und an dessen Glorie anteilnehmend verehrt und angerufen wird.

Christian Pesch

Der Vernunftgrund wird darin gefunden, daß der religiöse Kult befleckt wird, wenn ein Verdammter vom Papst in einer solch feierlichen Weise der ganzen Kirche als zu verehren und als Vorbild des rechten Lebens vorgestellt wird. Deshalb ist die Kirche in diesen Fällen unfehlbar, da sie die Lehrmeisterin des wahren Glaubens in den Dingen der Religion und den Sitten ist. Also ist die Kirche bei den Heiligsprechungen unfehlbar.

aus: Christian Pesch, Compendium Theologiae dogmaticae Vol. I (?) Pars III. De fontibus theologicis. Articulus III De objecto magisterii ecclesiastici Propositio XLII -XLII, nn. 448 – 357, S. 256-261

J. B. Heinrich

Die Meisten (Theologen) führen die Unfehlbarkeit der Kirche in der Heiligsprechung auf die Unfehlbarkeit in Sachen der Moral zurück; nicht sowohl deshalb, weil das heilige Leben und der heilige Tod eines Menschen, was sich von selbst versteht, nach den Grundsätzen der christlichen Moral zu beurteilen ist und von der Kirche beurteilt wird, sondern weil die Heiligkeit der Kirche erfordert, daß die Kirche nicht einen Unheiligen, ja einen Verdammten den Gläubigen als Vorbild der Heiligkeit, als Gegenstand der Verehrung und als Fürbitter im Himmel, vorstelle.
Es wird uns dieses einleuchten, wenn wir erwägen, daß nicht nur die Verehrung, Nachahmung und Anrufung der Heiligen im allgemeinen, sondern auch die bestimmter Heiligen und deshalb auch deren Kanonisierung in der Absicht Gottes liegt und dem entsprechend, zwar nicht förmlich und unmittelbar, doch implicite und mittelbar in der göttlichen Offenbarung gegründet ist.
Wenn aber die Kanonisation der Heiligen zur Integrität der auf dem katholischen Dogma beruhenden Heiligenverehrung gehört und durch die von Gott gesetzte kirchliche Ordnung gefordert ist, so können wir nicht bezweifeln, daß die Assistenz des heiligen Geistes die Kirche auch bei der Kanonisation von Heiligen vor einem Irrtum bewahren werde, der für das religiöse Leben, für die Heiligkeit und die Autorität der Kirche so nachteilig wäre.

aus: J. B. Heinrich, Dogmatische Theologie, Bd. II, 1876, S. 650-653 (Hervorhebung hinzugefügt)

M. J. Scheeben

…, so bliebe die Möglichkeit offen, daß sie durch Kanonisation eines in Wirklichkeit Unheiligen die Sittlichkeit schädigte, die Integrität des innern kirchlichen Lebens und ihres Kultes verletzte und zugleich die ganze Verehrung der Heiligen und ihrer Bilder und Reliquien in der tiefsten Wurzel zerstörte. Darum gebrauchen auch die Päpste bei den Kanonisationen Ausdrücke wie „Decernimus, declaramus, definimus“, sie rufen hierbei feierlich den Hl. Geist an und berufen sich ausdrücklich auf die Assistenz des Hl. Geistes.

aus: M. J. Scheeben – L. Atzberger, Handbuch der kath. Dogmatik, Bd IV, 1927, S 371f.

Die Kirche beansprucht Unfehlbarkeit bei der Kanonisation der Heiligen

Lexikon für Theologie und Kirche

Nach Ansicht aller Theologen ist die Kirche unfehlbar in ihrem Urteil über die Heiligkeit und himmlische Glorie des betreffenden Dieners Gottes.

aus: Michael Buchberger, Bd. IV, 1932 S. 898

The Catholic Encyclopedia von 1908

Ist der Papst bei der Heiligsprechung unfehlbar? Die meisten Theologen antworten in dieser Frage bejahend. Es ist die Ansicht von St. Antoninus, Melchior Cano, Suarez, Bellarmin, Bañez, Vasquez, und unter den Kanonisten, von Gonzales Tellez, Fagnanus, Schmalzgrüber, Barbosa, Reiffenstül, Covarruvias (Variar. resol., I, x, no 13), Albitius (De Inconstantiâ in fide, xi, no 205), Petra (Comm. in Const. Apost., I, in notes to Const. I, Alex., III, no 17 sqq.), Joannes a S. Thomâ (on II-II, Q. I, disp. 9, a. 2), Silvester (Summa, s. v. Canonizatio), Del Bene (De Officio Inquisit. II, dub. 253), und vielen anderen.

Charles R. Billuart

All diese sagen, daß wer leugnet, ein von der Kirche kanonisierter Heiliger sei heilig und in der Glorie, sei nicht Häretiker, sondern er sei 1. verwegen, weil er der allgemeinen Lehre der Kirche in einer begründetsten Sache widerspricht und weil dessen gegenteilige Meinung kein geeignetes Fundament hat… 2. Er gäbe ein Ärgernis, weil er die Gläubigen von der Verehrung der Heiligen abbrächte. 3. Er wäre gottlos, weil er der Kirche und den Heiligen selbst Unrecht täte. 4. Er würde nach der Häresie der Sekten schmecken, welche die Heiligsprechungen der Kirche verlachen und den Kult und die Anrufung der Heiligen leugnen.

Benedictus XIV.

Wenn auch nicht häretisch, so nenne ich doch verwegen, der ganzen Kirche Skandal bereitend, ungerecht gegenüber den Heiligen, jene Häretiker begünstigend, welche die Autorität der Kirche in der Kanonisierung von Heiligen leugnen, nach Häresie schmeckend, ja den Weg öffnend für die Ungläubigen zum Spott über die Gläubigen, Vertreter einer falschen Behauptung und schwerster Strafen schuldig denjenigen, welcher wagen würde zu behaupten, daß der Papst in dieser oder jener Heiligsprechung geirrt habe, daß dieser oder jener Heilige, der von ihm kanonisiert wurde, nicht mit dem Heiligenkult zu verehren sei. (1. c. I, 45, 28)