Die Apokalypse des hl. Johannes – Kap. 20, 7-15

Die letzte Verführung und das jüngste Gericht

7. Und wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan los gelassen werden aus seinem Gefängnis, und er wird ausgehen und verführen die Völker in den vier Ecken der Erde, den Gog und Magog und er wird sie versammeln zum Streit, deren Zahl ist wie der Sand des Meeres. (1)
8. Und sie zogen herauf über die Breite der Erde, und umringten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt
9. Da fiel Feuer von Gott aus dem Himmel, und verzehrte sie: und der Teufel, der sie verführt hatte, ward geworfen in den Feuer- und Schwefelpfuhl, wo auch das Tier,
10. und der falsche Prophet gequält werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit. (2)
11. Und ich sah einen großen, weißen Thron, und den, der darauf saß (3); vor seinem Angesicht floh die Erde und der Himmel, und für sie ward keine Stätte gefunden. (4)
12. Und ich sah die Toten (5), Groß und Klein, stehend vor dem Throne. Und die Bücher wurden aufgetan, und wieder ein Buch ward aufgetan, das Buch des Lebens (6): und die Toten wurden gerichtet aus dem, was geschrieben war in den Büchern nach ihren Werken.
13. Und das Meer gab die Toten, die darin waren (7), und der Tod und das Totenreich gaben ihre Toten, die darin waren (8): und sie wurden gerichtet, ein Jeder nach seinen Werken.
14. Und das Totenreich und der Tod wurden in den Feuerpfuhl geworfen (9): das ist der zweite Tod. (10)
15. Und er nicht erfunden ward eingeschrieben in dem Buch des Lebens, der ward in den Feuerpfuhl geworfen. (11)

Anmerkungen:

(1) Wenn nach dem göttlichen Ratschluß die Endperiode kommen soll, wird Gott zulassen, daß der Satan unter allen Völkern eine ungeheure Anzahl gewinne, um durch sie das Christentum zu überwinden, und sich den Sieg zu verschaffen. Über die tausend Jahre und den Ausdruck „loslassen“ siehe den Vers 3. Die Völker in den vier Ecken der Erde sind nicht gerade Völker, die an den äußersten Grenzen der Erde wohnen, sondern überhaupt alle Völker der Erde, aus allen Himmels-Gegenden, die durch die vier Ecken bezeichnet werden. Unter allen Völkern, selbst unter den Christen, wird der Satan eine ungeheure Zahl von Anhängern finden; denn Christus sagt selbst, daß er zur Zeit seiner Wiederkunft eine fast allgemeine Sittenverderbnis (Luk. 17, 26-28) und fast keinen Glauben mehr finden werde (Luk. 18, 8). Gog und Magog waren Völker gegen Norden, wo die Griechen ihr Skythien hatten, die wildesten Barbaren (Ezech. 38). Sie werden hier nicht genannt, als wenn sie es wären, welche die Kirche Gottes in der letzten Zeit bedrängen, sondern stehen nur als bildliche Namen der widerchristlichen Rotten. Diese versammeln sich zum Streit wider die Kirche Gottes, wirken zusammen, das Christentum von der Erde zu vertilgen. Da nach der apostolischen Lehre in der letzten Zeit der Antichrist erscheint (2. Thess. 2), so ist dieser ihr Anführer, oder wirkt gleich gesinnt mit ihnen.
(2) Das Heerlager der Heiligen, das die widerchristlichen Rotten bekämpften, ist die Kirche Gottes auf Erden. Wie dieser Kampf beschaffen sei, ob bloß geistig oder ob wirklicher Krieg darunter zu verstehen, ob die geliebte Stadt eine wirkliche Stadt sei, wobei das Häuflein der Getreuen sich sammelt, oder ob darunter nur die Kirche zu verstehen, was das Feuer zu bedeuten, ob es als wirkliches oder nur bildlich zu fassen sei, das Alles muss der Zukunft selbst überlassen bleiben; denn Weissagungen werden immer erst vollkommen klar, wenn die Zukunft, die sie zum Gegenstand hatten, eingetroffen. Des Christen Pflicht ist, zu wachen, die Zeichen der Zeit wohl zu beachten, und sich zur Ankunft des Herrn immer bereit zu halten (s. Matth. 24). So viel ist aber in Bezug auf diese Endperiode vollkommen gewiß, daß noch vor dem jüngsten Gericht das Volk der Juden in die Kirche eingegangen sein wird (Röm. 11). – Hier beginnt die Schlußszene des Buches und des Gesichtes, die Auflösung der Kirche ins himmlische Reich.
(3) Den in Herrlichkeit erscheinenden Weltrichter.
(4) Die gegenwärtige sichtbare Natur verschwand; denn sie ward im Feuer verzehrt (2. Petr. 3, 10ff) und zu einer neuen umgewandelt (siehe Kap. 21, 1).
(5) alle Verstorbenen Menschen ohne Ausnahme.
(6) Bücher und Ein Buch: d. i. viele Bücher, worin die Werke der vielen Gottlosen verzeichnet waren, Ein Buch, worin die weit geringere Anzahl der Gerechten stand. Bild der göttlichen Allwissenheit!
(7) Nähere Beschreibung der allgemeinen Auferstehung.
(8) Der über das Totenreich, die Gräber, herrschende Tod gab seine Toten. Der Tod ist wie ein Herrscher vorgestellt. Das Totenreich steht der Gräber, und diese bilden es auf der Erde befindlich einen Gegensatz zum Meer.
(9) Das Sterben hat aufgehört, wurde in die Hölle geworfen, d. h. von nun an herrscht der Tod nur mehr in der Hölle.
(10) Das Geworfenwerden in den Feuerpfuhl, die ewige Verdammnis.
(11) Am Ende dieses Kapitels soll noch der irrigen Meinung vom tausendjährigen Reicht gedacht werden, welche der Ketzer Cerinthus noch zu Lebzeiten des Apostels Johannes ausgeht, die aber zu allen Zeiten von der Kirche verworfen worden ist. Dieser Irrlehrer behauptete, Christus werde am Ende der Zeit wieder kommen, und tausend Jahre auf Erden sichtbar regieren, die bereits verstorbenen Gerechten würden dann in ihren Leibern auferstehen und mit den noch lebenden Christen ein Leben voll der Üppigkeit und Wollust hinbringen, um für die Abtötung und Verleugnungen entschädigt zu werden, die sie sich einst vor der Ankunft Christi gefallen lassen mussten. Darauf soll erst das jüngste Gericht erfolgen. Neben diesen durchaus unchristlichen, scheußlichen Lehre bildete sich schon in der ältesten Kirche noch eine andere Meinung von dem tausendjährigen Reich, die zwar nicht geradezu als ketzerisch verworfen, aber doch im Allgemeinen als irrig anerkannt worden ist. Nach dieser Meinung erfolgt auf die Besiegung des Antichrists eine Auferstehung der Gerechten auch dem Leibe nach, und Alle, die damals noch am Leben sind, bleiben am Leben, die Guten, um jenen Auferstandenen als ihren Fürsten zu gehorsamen, die Bösen, damit sie von denselben überwunden, und denselben unterworfen würden. Christus selbst herrscht in Jerusalem als König, mit ihm die Apostel, die Propheten des Alten Bundes und die Märtyrer. Sind die tausend Jahre vollendet, dann werden die Heiligen von den Bösen angefeindet, diese aber verzehrt Feuer vom Himmel. Hierauf erfolgen die allgemeine Auferstehung und das Weltgericht. So lehrten der heilige Justin der Märtyrer, der heilige Vitorin, Tertullian, Lactantius und mehrere Katholiken. Dagegen spricht vorzüglich, daß eine tausendjährige Gegenwart Christi auf Erden gegen die ausdrücklichen der Schrift ist (Apostelg. 3, 21), gemäß welchen Christus vor der Wiederherstellung aller Dinge den Himmel nicht verläßt, diese aber von jenem tausendjährigen Reich nicht als eingetreten angesehen werden kann, da die Bösen noch einmal die Kirche anfeinden. Auch spricht der heilige Johannes Vers 4 ausdrücklich nur von herrschenden Seelen, nicht von leiblich erstandenen Gerechten. –
aus: Joseph Franz Allioli, Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Aus der Vulgata, 6. Bd. 1838, S. 488 – S. 490