Päpstliches Lehramt
Pius XII. über die falsche Friedensliebe
Pius XII.: Humani generis – Rundschreiben über die modernen Irrtümer (v. 12.8.1950)
Irenismus als Weg zur brüderlichen Verständigung – oder Huldigung einer falschen Friedensliebe
Ja, es zeigt sich noch eine andere Gefahr, die umso schwerwiegender ist, als sie sich noch mehr in den Schleier der Tugend hüllt. Zahlreich sind nämlich jene, die in ihrem Verdruss über die Uneinigkeit der Menschen und über die Verwirrung der Geister sowie unter den Antrieb eines unklugen Seeleneifers den mächtigen Drang und das glühende Verlangen in sich spüren, die Schranken nieder zu reißen, wodurch rechtschaffene und anständige Menschen voneinander geschieden sind; sie huldigen dermaßen dem Irenismus (Friedensliebe), dass sie, ohne die trennenden Probleme zu berücksichtigen, nicht nur darauf bedacht sind, den Ansturm des Atheismus mit vereinten Kräften nieder zu schlagen, sondern auch die Gegensätze in dogmatischen Fragen zu überbrücken.
Und genau wie sich einst manche fragten, ob die herkömmliche Form der kirchlichen Apologetik mehr eher ein Hindernis als ein Hilfsmittel darstelle, um Seelen für Christus zu gewinnen, so fehlt es auch heute nicht an Waghalsigen, die soweit gehen, dass sie allen Ernstes die Frage aufwerfen, ob die Theologie und ihre Methoden, wie sie mit Billigung der kirchlichen Autorität in den Schulen Geltung haben, nicht nur zu vervollkommnen, sondern überhaupt ganz zu erneuern seien, damit Christi Reich überall auf Erden unter den Menschen jeglicher Kultur und jedweder religiösen Anschauung mit größerem Erfolg ausbreitet werden könne.
Hätten jedoch diese Reformer lediglich die Absicht, den kirchlichen Unterricht und dessen Methode den heutigen Verhältnissen und Bedürfnissen durch Einführung einer neuen Lehrweise besser anzupassen, so bestände fast kein Grund zu Befürchtungen; nun aber scheinen manche eifernde Befürworter eines unklugen Irenismus auch das als Hindernis auf dem Weg zu einer brüderlichen Verständigung zu betrachten, was eben auf den Gesetzen und Grundsätzen beruht, die Christus selbst erlassen hat, sowie auf den von ihm getroffenen Maßnahmen, oder was Schutzwehr und Stütze der Glaubens-Reinheit bildet; brechen sie zusammen, so ist freilich alles geeint, aber einzig und allein zum Ruin. –
aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 259