Herodes ist ein wahres Vorbild der Heuchler

Die Heuchelei ist ein Laster, das allen Sündern, allen Häretikern, allen Gottlosen gemein ist. Ihre Bosheit und ihre Strafe.

Indem sich nun Herodes im geheimen Gespräch mit den Magiern befand, begann er sich bei ihnen auf das Aller Genaueste nach der Erscheinung des wunderbaren Sterns, nach den Zeichen, auf welche hin sie aus dieser Erscheinung auf die Geburt des Messias geschlossen hatten, und hauptsächlich nach der Zeit zu erkundigen, in welcher sie ihn zuerst sahen, damit er selber daraus die Zeit berechnen könnte, in welcher das Kind, welches er ankündigte, geboren worden sein musste. Denn er wollte, sagt ein Ausleger, da er entschlossen war, sich auf alle Weise dasselbe vom Hals zu schaffen, sich von dem Ort und der Zeit seiner Geburt vergewissern, damit er, wenn es ihm nicht gelänge, es zu entdecken und es allein töten zu können, es wenigstens dadurch, daß er alle an demselben Ort und um dieselbe Zeit geborenen Kinder tötete, in ihrem Blutbad erreichen könnte.
Nachdem er nun von den Magiern erfahren hatte, was er zu wissen wünschte, sprach er, um die Pläne seiner Grausamkeit zu vollenden, zu ihnen: „Habet ihr es also verstanden, daß der Messias, den ihr sucht, in Bethlehem geboren werden soll? So geht denn in diese Stadt; forscht, sucht da mit aller möglichen Sorgfalt nach ihm; ihr werdet ihn dort gewiß finden, und habt ihr ihn gefunden, und habt ihr gegen ihn die Handlungen eurer Religion und eurer Frömmigkeit verrichtet, so kommt, ich verlange dies dringend von euch, bei eurer Rückkehr wieder hierher, und kommt zu mir, um mir anzuzeigen, wo auch ich ihn finden kann; denn auch ich wünsche, zu ihm zu gehen, um ihn anzuerkennen.“

O schändlicher Betrüger, sagt bei diesen Worten des Herodes der heilige Johannes Chrysostomos, o schamloser Heuchler! Er stellt sich, als wäre er voll Sorgsamkeit und Eifer, um die List zu verbergen; er sagt, er will den Messias anbeten, den er doch so bald als möglich zu töten wünscht. Und auch der heilige Fulgentius, der gleichfalls von dieser Empfindung des Unwillens durchdrungen ist, spricht zu Herodes: O gottlose Grausamkeit! O betrugsolle Ruchlosigkeit! O lasterhafte Schlauheit! Das unschuldige Blut so vieler Tausende von Kindern, das du später vergossest, hat genugsam den wilden Plan angezeigt, den du gegen dieses Kind in der Brust nährtest, für das du eine so große Liebe heuchelst. Und bemerkt, fügt Chrysostomus hinzu, den tiefen Kunstgriff der vollendeten Bosheit. Aus dem ganzen Benehmen und Reden der Magier erkannte Herodes, daß diese heiligen Männer von Gefühlen der aufrichtigsten Frömmigkeit, der zärtlichsten Liebe für Jesus Christus beseelt waren, und daß es unmöglich sei, sie durch Versprechungen und durch Schmeicheleien dahin zu bringen, sich mit dem unrechtmäßigen König gegen das Leben des rechtmäßigen Königs und Messias zu verschwören, den aufzusuchen sie so weit her, unter so vielen Beschwerlichkeiten und gefahren gekommen waren. Was tut daher der Bösewicht? Da er sieht, daß es unmöglich ist, sie zu betrügen, so sucht er sie zu täuschen, und heuchelt eine Verehrung für Jesus Christus, während er das Schwert schärfen ließ, womit er ihn durchbohren wollte, und er übertüncht mit der heuchlerischen Demut der Worte die höllische Verruchtheit seines Herzens.
So pflegen die boshaften Betrüger zu verfahren, wenn sie insgeheim Jemand verderben wollen, dem, wie sie sehen, nicht öffentlich schaden können: sie stellen sich, als wären sie seine aufrichtigen Bewunderer und Freunde, um sein Vertrauen zu gewinnen, seine Wachsamkeit einzuschläfern und Alles zu seinem Schaden zu mißbrauchen. Und bemerkt auch, sagt ein Ausleger, daß Herodes, um immer mehr das Vertrauen der Magier sich zu verschaffen und ihre Leichtgläubigkeit zu hintergehen, nicht bloß im Allgemeinen Liebe und Ehrfurcht gegen Jesus Christus heuchelt, sondern auch eben dieselbe Liebe und Verehrung der Magier heuchelt. Als ihm daher die Magier zu erkennen gegeben hatten, daß sie ihre Ehre darein setzten, Anhänger des Messias zu sein, den sie suchten, so erklärt Herodes, daß auch er ein Anhänger des Messias werden will: Ut et ego. Da die Magier versichert hatten, sie wollten den König der Juden anbeten, und sie seien bloß deshalb so weit her gekommen: Venimus adorare, wiederholt Herodes, daß auch er die Absicht habe, ihn anzubeten: Ut et ego veniens adorem eum. O verruchte Heuchelei! Der Gottlose, der Grausame heuchelt die Gefühle der Liebenden, der Frommen; er spricht ihre spräche, er bedient sich ihrer Ausdrücke, er läßt aus seinem Gesicht, das auf eine erlogen demütige Weise ernsthaft ist, gleichsam ein religiöses Verlangen, einen Wunsch hervor leuchten, den Magiern nachzufolgen und sich Jesu Christo zu Füßen zu werfen: er, der in seinem barbarischen Herzen Jesum Christum verwünschte, und die Magier verlachte!

Seht also denn in Herodes das wahre Vorbild der Heuchler, sagt der heilige Gregor. Die Heuchler, welche, wenn sie mit den religiösen und frommen Personen umgehen, Liebe und Religion auf der Zunge heucheln, während sie nur Gottlosigkeit und Haß im herzen haben, äffen ihre Empfindungen nach, sprechen ihre spräche der Religion und des Glaubens, schließen sich ihren religiösen Übungen an, ahmen äußerlich ihr verhalten nach, stellen ich, als wären sie nur eine Seele und ein herz mit ihnen, als hätten sie dieselbe Aufrichtigkeit, denselben Eifer, für die Religion und die Liebe; und das alles, um ihre Achtung zu gewinnen und ihren Schutz zu erlangen. Und wie Viele gibt es nicht, welche sich der Gunst der Rechtschaffenen bedienen, um sich ungestraft allen Lastern hinzugeben, oder um Würden, Ämter zu erlangen, für welche sie kein anderes Verdienst haben, als einen unbegrenzten Ehrgeiz, verbunden mit einer unbegrenzten Niedrigkeit! Zu der großen Familie der Heuchler gehören auch, und sind auch wirkliche Heuchler alle Lehrer von Ketzereien, welche sagen, sie werden von Eifer für die Wahrheit getrieben. Heuchler sind auch alle falschen Philosophen, alle Ungläubigen, welche für höhere Menschen gelten wollen, welche sich nicht entschließen können, ihre hohe Vernunft den christlichen Glaubenslehren zu unterwerfen, da sie nur entartete und niedrige Seelen sind, welche den Mut nicht fühlen, ihr Herz den christlichen Pflichten zu unterwerfen. Heuchler sind endlich auch alle Staatsmänner, welche Schismen und Religionen erzeugen, indem sie sagen, es sei ihre Pflicht, ihre Völker von dem Joch eines fremden Priesters unabhängig zu machen, während die Triebfeder ihres Handelns die unmäßige Sucht ist, sich selbst von jeder Kirchenstrafe unabhängig zu machen und ihre Tyrannei ohne Hindernis bis auf die Gewissen auszudehnen. Aber wehe, wehe den Heuchlern, sagt Jesus Christus in seinem Evangelium: Vae, van Vobis hypocritae! (in Evan. Passim.) Dies sind die einzigen unter den Sündern, welche dieser Gott der Sanftmut in seinem Leben auf die herbste und härteste Art behandelte. Dies sind die einzigen Sünder, auf welche dieser Gott der Erbarmung nur Blicke des Zornes und des Unwillens warf: Circumspiciens eos cum ira. Dies sind die einzigen Sünder, von welchen dieser erlösende Gott keinen einzigen bekehrte, über welche er jede Art von Verwünschungen und Verdammungen aussprach, und die er „Natterngezücht“ nannte, das auf keine Weise der Strenge der ewigen Strafe entrinnen kann: Genimina viperarum, quomodo. Fugietis a judicio gehennae?“ (Matth. 23) Ja, alle großen Irrtümer, alle großen Ärgernisse im Christentum haben immer die Heuchelei zur Grundlage und zur Stütze gehabt; dies ist die Sünde, welche alle Sünden hervor bringt, und welche daher auch alle Strafen zu erwarten hat. Wehe also den Heuchlern, überaus wehe, unvergleichlich wehe, ewig wehe: Vae Vobis hipocritae! –
aus: P. Joachim Ventura, Exgeneral der Theatiner, Die Schönheiten des Glaubens, Sechster Band, 3. Teil, S.44 – S. 52