Die Visionen der Anna Katharina Emmerich
Die „Frömmigkeit“ der Herrnhuter Sekte
Die Geneigtheit des Pilgers, die „Frömmigkeit“ der Herrnhuter zu preisen und mit Schärfe von den „Gebrechen der Kirche“ zu reden, bekämpfte sie mit der Entgegnung: „Ich werde von meinem Führer ernstlich zurecht gewiesen, wenn ich solchen Reden schweigend zugehört. Es wurde mir gezeigt, wie verwegen solche Urteile seien, und daß man hierdurch in denselben Fehler der ersten Abtrünnigen falle. Was in der Kirche versäumt werde, wurde mir gesagt, das solle ich tun, sonst würde ich noch strafbarer, als jene, denen nicht gezeigt worden sei, was ich zu sehen bekomme. Ich sah auch den Ort der Herrnhuter. Die Leute sind hier so sachte in ihrem Tun, wie Jemand, der den Andern nicht wecken will. Es ist Alles so zierlich, rein und still; die Leute scheinen so fromm; aber sie wurden mir innerlich erstorbener als die armen Indianer gezeigt, für welche ich jetzt zu beten habe. Wo kein Kampf ist, da ist auch kein Sieg. Sie machen es sich sehr kommode, sind darum sehr arm, und ihre Sachen stehen bei allen schönen Redensarten und Äußerlichkeiten doch sehr schlecht. Ich sah dies im Hochzeitshause. Unter dem Bild von zwei Kranken sollte ich den Unterschied der Seelen, des inneren vor Gott erkennen. Die Herrnhuter-Gemeinde sah ich als eine Kranke, die aber nicht krank sein wollte und alle ihre innere Schmach zu verhüllen suchte. Sie erschien sehr anständig und gefällig und hielt ihre Gebrechen sehr geheim. Nun sah ich ihr gegenüber eine andere Kranke, wie im Ferngesicht; sie war mit Geschwüren bedeckt, aber diese leuchteten und schienen eine Decke von lauter Perlen. Das Bett, in dem sie lag, war leuchtend, und der Boden und der ganze Raum um sie war schneeweiß schimmernd. Als die Herrnhuterin diesem Raum nahte, wurde Alles befleckt, wohin sie trat; allein nie wollte sie von ihrem Schmutz etwas gewußt haben. –
aus: K. E. Schmöger CSsR, Das Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Zweiter Band, 1873, S. 39 – S. 40