Der dreifache Weheruf des Adlers

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Apokalypse – Die sieben Posaunen

Die Posaunenvisionen. Kap. 8, Vers 13. Der dreifache Weheruf des Adlers

Die vier ersten Engel haben mit ihren Posaunen viel Unheil angekündigt. Es traf in erster Linie die den Menschen umgebenden Bereich der Natur. Nun kommt das Unglück an den König der Schöpfung, den Menschen, unmittelbar heran. Für das vernünftige Geschöpf schickt aber der Richter eine Warnung voraus, und zwar durch einen Adler. Johannes sieht ihn hoch oben im Himmelsraum, am Zenit, dahin fliegen. Keiner soll ihn übersehen. Sein dreifaches krächzendes „Uai“ malt lautlich das gesteigerte „Wehe“ und gellt über die ganze Erde hin. Niemand wird sagen können, er sei nicht rechtzeitig gewarnt worden. Zunächst gilt das Wehe den Sündern; denn diese sind hier wie 6, 10 mit den „Bewohnern der Erde“ gemeint. Ihr Sinnen und Trachten klebt an der Erde und an dem, was sie bietet. Wird das dreifache Wehe sei zur Einsicht bringen, wenn es sie selber packt? Oder wird es sie noch mehr verhärten? Das hängt von der persönlichen Haltung eines jeden ab. Es ist ja etwas anderes, ob nur die Erde, das Haus des Menschen, samt seiner Ausstattung von den Katastrophen erfaßt wird, oder ob diese den Menschen selbst treffen. So hat der Satan einst gehofft, Job von Gott trennen und ihn zum Lästern bringen zu können, wenn er „an sein Gebein und Fleisch rühre“, nachdem er mit allem äußeren Unglück nicht zum Ziel gekommen war (Job 1, 9ff; 2, 4ff).  In der Endzeit will Gott mit den gegen die Menschen unmittelbar geführten Schlägen das Gegenteil erreichen, die Besserung der Sünder. Für die „Heiligen“ gilt auch bei diesem dreifachen Wehe Röm. 8, 28: „Denen, die Gott lieben, wirkt alles Zum Heil mit“, ohne daß dies ausdrücklich von dem Adler verkündet zu werden braucht.

Einzelne Abschreiber und Erklärer des Textes haben sich daran gestoßen, daß hier ein Adler mit Menschenstimme Unheil ankündigt. Sie ersetzen darum das Wort Adler durch das im Griechischen ähnlich klingende für „Engel“. So ging die Lesart „Engel“ statt „Adler“ in den Luthertext über. Aber aus Stellen wie 5. Mos. 28, 49; Os. 8, 1 und außerbiblischen Zeugnissen (Johannesbuch der Mandäer II, 235, 3f) wird ersichtlich, daß der Adler in den Vorstellungen der Alten als Unglücksbote und Göttervogel bekannt war. Er ist das dem Zeus und Jupiter heilige Tier und umflattert im germanischen Mythus als Vogel Odins die Walküren. Besonders als Orakelkünder genoss er hohe Verehrung. Ähnlich wird der Rabe als die Zukunft wissendes Tier angesehen. Die Furcht vor dem „Unglücksraben“ lebt bis heute weiter. Viele erschrecken, wenn ein Kranker im Haus liegt und das Käuzchen, der „Totenvogel“, seinen als „Komm mit!“ gedeuteten Ruf erschallen läßt. Jesus selbst hat den Adler mit dem Endgericht bildhaft in Beziehung gesetzt (Matth. 24, 28).

Die kurze Szene vom dreifachen Weheruf des Adlers ist mit seinem Schriftsteller-Geschick in die große Vision eingefügt. Sie verhütet Einförmigkeit und leitet zum Folgenden über. Die Hörer sollen bei den Adlerrufen aufhorchen. Dann wird über jedes Wehe berichtet. Zum ersten gibt die fünfte Posaune das Zeichen (9, 1-12), zum zweiten die sechste (9, 13 bis 11, 14). Das vom siebten Signal angekündigte Wehe aber zieht sich hin bis zum vollen Sieg Christi (11, 15 bis 20, 15). Und da die Vision der sieben Posaunen nur eine Entfaltung dessen ist, was bei der Öffnung des siebten Siegels eintrat, so folgt daraus, daß alles Geschehen bis zur letzten Abrechnung mit den Feinden im siebenfach versiegelten Buch vorher bestimmt ist und vom Lamm Gottes herbei geführt wird. Sogar in ihren literarischen Formgesetzen, nicht nur in ihrem Inhalt ist die Apokalypse das Buch der Vorsehung des allwissenden und allmächtigen Herrschers auf dem Himmelsthron und der Weltregierung des Lammes, dem er alle Gewalt übertragen hat. –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XVI.2, 1942, S. 133 – S. 134
siehe auch die Beiträge zu: Themenbereich Apokalypse

Category: Apokalypse
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