Herders Bibelkommentar
Christus und Belial, Licht und Finsternis haben nichts gemein
Laßt euch nicht zusammen mit den Ungläubigen in ein fremdes Joch spannen! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zu tun, und was für eine Gemeinschaft besteht zwischen Licht und Finsternis? Wie ist ferner Christus mit Belial in Einklang zu bringen? Oder welchen Anteil hat der Gläubige mit den Ungläubigen? Wie paßt der Tempel Gottes zu den Götzen? Wir sind ja der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: „Ich will unter ihnen wohnen und wandeln und werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ (2. Brief des hl. Paulus an die Korinther, Kap. 6, Vers 14 bis 16)
Wahre Apostelliebe wird nie weichlich, auch wenn sie in den weichsten Tönen zu den geliebten spricht. Wo den Seelen Unheil droht, nennt sie die Dinge und unter Umständen auch die Personen beim rechten Namen, ohne irgendwie persönlich zu werden. In Korinth, der versumpften Großstadt, lauerten große Gefahren für das Häuflein Christen mitten unter den Heiden. Da galt es, scharfe Trennungsstriche zu ziehen und das christliche Selbstbewusstsein zu stärken, aller zahlenmäßigen Minderheit und gesellschaftlichen Minderbewertung zum Trotz. Liebe zu den Korinthern und Verantwortungsbewusstsein sprechen aus den Worten. So in den Zusammenhang gerückt, sind die ernsten Warnungen vor dem Umgang mit Ungläubigen (6, 14 bis 7, 1) ein Erweis der Liebe des Apostels zu den Seinen, von der er eben sprach (6, 11-13) und wovon er nachher wieder spricht (7, 3). Nur mangelnde Einsicht in die Weite des Apostelherzens konnte darum diese Sätze als Fremdkörper aus dem Brief auszuscheiden versuchen. Der Rückfall in heidnischer Wesen war bei den noch wenig gefestigten Christen sehr zu befürchten. „Habt keinen Verkehr mit Unzüchtigen“, hatte Paulus früher schon geschrieben (1. Kor. 5, 9). Unzucht war ja das Nationallaster, und auch unter den Christen herrschten noch falsche Auffassungen darüber (vgl. 1. Kor. 5, 1ff; 6, 12ff). Hier nimmt die Mahnung weiteren Umfang an. Nicht um den bürgerlichen Verkehr handelt es sich. Darum ruft Paulus nicht zum wirtschaftlichen Boykott, sondern zur religiöse-sittlichen Autarkie auf. Er weiß, daß bei aller Religions-Mengerei und bei jedem sittlichen Kompromiss die Christen den Nachteil haben. Das Christentum macht Anspruch aufs Ganze; denn es ist die einzig wahre Religion. In Anlehnung an das altbundliche Verbot, Ochs und Esel beim Pflügen zusammen zu spannen (5. Mos. 22, 10), warnt Paulus vor dem Preisgeben der christlichen Selbständigkeit. Heidentum und Christentum sind nun einmal keine Religionen, die neben einander gehen. Sie sind so gegensätzlich wie Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit, so unvereinbar wie Licht und Finsternis. Die Christen sollen ja „Gerechtigkeit Gottes“ (5, 21) und „das Licht der Welt“ sein (Matth. 5, 14), während die Heiden Gottes Gesetz verachten und „in Finsternis und Todesschatten sitzen“ (Ps. 107, 10). Gott hat uns aus Gnade „aus der Gewalt der Finsternis errettet“ (Kol. 1, 13). In alle Ewigkeit wird es keine „Symphonie“, keinen Einklang zwischen Christus und Belial geben. Belial, der „Gott der Nichtsnutzigkeit“, wie der Name besagt, steht als Führer aller gottfeindlichen Mächte in unversöhnlichem Kampf mit dem Erlöser der Menschheit. Es gibt keine Neutralität in der Frage, ob einer zu Christus hält oder zum Teufel. Dieser Gedanke bildet das Kernstück der Exerzitien des hl. Ignatius in der Betrachtung von den beiden Heerlagern. Entweder schließt sich einer gläubig an Christus an und kämpft auf seiner Seite, oder er bleibt als Ungläubiger in der Dienstbarkeit Belials. Klare Entscheidung und reinliche Scheidung sind gefordert.
Ein fünftes Gegensatzpaar: Tempel Gottes und Götzenbild bildet den Abschluss der Reihe. Wer in einem christlichen Gotteshaus heidnische Götzenbilder aufstellen und verehren wollte, würde einen neuen Götzentempel schaffen, sonst nichts. Nun sind aber die Christen selber ein heiliger Tempel Gottes, einzeln sowohl wie als Gemeinschaft (1. Kor. 3, 16; 6, 19). In diesem Tempel steht kein toter Götze, sondern der lebendige und Leben schaffende Gott hat darin Wohnung genommen. Er kann sein Hausrecht mit keinem andern teilen. –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XIV, 1942, S. 403 – S. 404