Lehrschreiben der Päpste

Meinungen von Theologen zur Lehrautorität der Päpste – Teil 1

Eine erstaunlich große Zahl prominenter Theologen findet sich unter denen, die die Enzykliken in ihren Abhandlungen über die Unfehlbarkeit des Papstes nicht ausreichend kennen. Diese Männer begnügen sich mit einer Untersuchung und einer theologischen Darlegung des Schemas, nach der das Vatikanische Konzil die Unfehlbarkeit des Heiligen Vaters definiert. Bischof Joseph Fessler, Sekretär des Vatikanischen Konzils [1], verwendete diesen Ansatz in seiner Antwort an den „Alten Katholischen“ Schultes. Der berühmte und sehr einflussreiche Kardinal Cammillus Mazzella [2] folgte derselben Linie, ebenso wie die Erzbischöfe Richard Downey [3] Valentine Zubizarreta [4] und Horace Mazzella [5] Bischof Michael d’Herbigny [6] Domherr (Kanoniker) Auguste Leboucher [7] und Pater Sylvester Berry [8], Hugo Hurter [9], Sylvester Hunter [10], Bernard Tepe [11], Raphael Cercia [12], Basil Prevel [13], Gabriel Casanova [14] und Gerard Paris.[15] Als Gruppe erwecken diese Schriftsteller häufig den Eindruck, dass sie nur die vom Heiligen Vater solemni iudicio vorgeschlagenen Wahrheiten als unfehlbar definiert betrachten, unter Ausschluss jener Wahrheiten, die er ordinario et universali magisterio darlegt.

Eine andere sehr eindrucksvolle Gruppe von Theologen führt die päpstlichen Enzykliken zumindest allgemein als nicht unfehlbare Dokumente auf. Bischof Hilarinus Felder [16], Msgr. Caesar Manzoni [17] und Pater Emil Dorsch [18], Reginald Schultes [19], Antonio Vellico [20], Ludwig Koesters [21], Ludwig Lercher [22] und Aelred Graham [23] lehren so in ihren Abhandlungen. Dieselbe Ansicht vertritt P. Mangenot in seinem ausgezeichneten Artikel über die Enzykliken im Dictionnaire de théologie catholique [24], P. Lucien Choupin in seiner herausragenden Monographie [25], P. Thomas Pegues in seinem häufig zitierten Artikel in der Revue thomiste über die Autorität der Enzykliken [26], und Kanoniker George Smith in seiner brillanten Studie zu diesem Thema in der Clergy Review [27]. P. Jean Vincent Bainvel nimmt neben Choupin und Schultes im Übrigen ausdrücklich Bezug auf die Enzykliken von Papst Leo XIII. und stuft sie als nicht unfehlbar ein [28], während der Artikel von Pegues als Antwort auf eine an die Revue thomiste gesendete Frage nach der lehrmäßigen Autorität der Enzykliken von Papst Leo geschrieben wurde. P. Herman Dieckmann [29] klassifiziert die in päpstlichen Enzykliken enthaltene Lehre mit der der römischen Kongregationen.

Ansichten angesehener Theologen

Die angesehenen Theologen, die den päpstlichen Enzykliken den Status unfehlbarer Dokumente verweigern, lehren jedoch, dass die Gläubigen im Gewissen verpflichtet sind, diesen Briefen nicht nur den Tribut des respektvollen Schweigens, sondern auch eine deutliche und aufrichtige innere religiöse Zustimmung zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck wenden viele von ihnen, wie P. De Groot, [30], auf die Enzykliken eine Lehre an, die der herausragende und brillante Dominic Palmieri über die katholische Haltung gegenüber nicht unfehlbaren Lehren in der Kirche entwickelt hatte. [31] Pegues macht in seinem Artikel in der Revue thomiste diese Anwendung mit seiner gewohnten Klarheit.

Daraus folgt, dass die Autorität der Enzykliken keineswegs mit der der feierlichen Definition, der eigentlichen so genannten, übereinstimmt. Die Definition verlangt eine vorbehaltlose Zustimmung und verpflichtet zu einem förmlichen Glaubensakt. Der Fall der Autorität der Enzyklika ist nicht der gleiche.

Diese Autorität (der päpstlichen Enzykliken) ist zweifellos groß. Sie ist in gewisser Weise hoheitlich. Es ist die Lehre des höchsten Hirten und Lehrers der Kirche. Daher haben die Gläubigen eine strenge Verpflichtung, diese Lehre mit unendlichem Respekt anzunehmen. Ein Mensch darf nicht damit zufrieden sein, ihr einfach nicht öffentlich und in mehr oder weniger skandalöser Weise zu widersprechen. Eine innere mentale Zustimmung ist gefragt. Es sollte als die Lehre empfangen werden, die in der Kirche hoheitlich autorisiert ist.

Letztendlich ist diese Zustimmung jedoch nicht die gleiche, wie sie im formalen Glaubensakt gefordert wird. Streng genommen ist es möglich, dass diese (in der Enzyklika aufgestellte) Lehre fehlerbehaftet ist. Es gibt tausend Gründe zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. Es war wahrscheinlich nie (irrtümlich) und es ist normalerweise sicher, dass es niemals sein wird. Aber, absolut gesehen, könnte es sein, weil Gott es nicht garantiert, wie Er die Lehre garantiert, die im Rahmen der Definition formuliert wurde. [32]

Lercher lehrt, dass die interne Zustimmung aufgrund dieser Aussagen nach der strengsten philosophischen Bedeutung des Begriffs nicht als sicher bezeichnet werden kann. Die Zustimmung zu solchen Vorschlägen ist eine interpretative condicionatus (auslegende Bedingung), einschließlich der stillschweigenden Bedingung, dass die Lehre als wahr akzeptiert wird, „es sei denn, die Kirche sollte irgendwann zwingend etwas anderes definieren oder die Entscheidung sollte als falsch erkannt werden.“ [33] Lyons [34 ] und Phillips [35] verwenden denselben Ansatz bei der Beschreibung der Zustimmung, die Katholiken im Gewissen haben, die verpflichtet sind, den nicht unfehlbaren Lehren der Kirche folgen. P. Yves de la Brière spricht aufgrund dieser Äußerungen von der „Unterwerfung und dem hierarchischen Gehorsam“ aufgrund dieser Verlautbarungen. [36]

Msgr. Manzoni listet die Enzykliken unter den Dokumenten auf, in denen sich eine nicht unfehlbare Lehre befindet. Er ist der Ansicht, dass die Definition, von der das Vatikanische Konzil spricht, wenn es die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit aufstellt, nur in der Ausübung des Feierlichen zu finden ist, im Unterschied zum ordentlichen Lehramt. Bei der Erklärung der Verbindlichkeit dieser nicht unfehlbaren Äußerungen verwendet er wie Bischof Francis Egger [37], und Pater Mangenot [38], MacGuinness [39], und Dieckmann [40], eine von Kardinal Franzelin formulierte Erklärung in seinem Tractatus de divina traditione et scriptura.

Anmerkungen:

1. Cf. La vraie et la fausse infaillibilité des papes (Paris: E. Plon, 1873).
2. Cf. De religione et ecclesia praelectiones scholastico-dogmaticae, 6th ed. (Prato: Giachetti, 1905)
3. Cf. The article “The Vatican Council and Papal Infallibility,” in the symposium The Papacy, edited by Fr. Lattey (Cambridge, England: W. Heffer and Sons, Ltd., 1924), pp. 181 ff.
4. Cf. Theologia dogmatico-scholastica ad mentem S. Thomae Aquinatis, 3rd ed. (Bilbao: Eléxpuru Hnos., 1937), I, 396 ff.
5. Cf. Praelectiones scholastico-dogmaticae breviori cursui accommodatae, 6th ed. (Torino: Società editrice internazionale, 1915), I, 545 ff.
6. Cf. Theologica de ecclesia, 3rd ed. (Paris: Beauchesne, 1928), II, 349 ff.
7. Cf. Tractatus de ecclesia Christi speciali cura exactus ad normam recentium declarationum S. Sedis et Conc. Vaticani (Paris: Berche et Tralin, 1877), pp. 255 ff.
8. Cf. The Church of Christ: An Apologetic and Dogmatic Treatise, 2nd ed. (St. Louis: B. Herder Book Co., 1927), pp. 472 ff.
9. Cf. Theologiae dogmaticae compendium in usum studiosorum theologiae, 2nd ed. (Innsbruck: Wagner, 1878), I, 345 ff.
10. Cf. Outlines of Dogmatic Theology, 3rd ed. (New York: Benzinger Brothers, 1894), I, 441 ff.
11. Cf. Institutiones theologiae in usum scholarum (Paris: Lethielleux, 1894), I, 383, ff.
12. Cf. Demonstratio catholica sive tractatus de ecclesia vera Christi et de Romano Pontifice, 5th ed., (Paris: Lethielleux, 1878), II, 279 ff.
13. Cf. Theologiae dogmaticae elementa, 3rd ed. (Paris: Lethielleux, 1912), I, 254 ff.
14. Cf. Theologia fundamentalis (Rome: Typographia Sallustiana, 1899), pp. 328 ff.
15. Cf. Tractatus de ecclesia Christi (Turin: Marietti, 1929), pp. 229 ff.
16. Cf. Apologetica sive theologia fundamentalis, 2nd ed. (Paderborn: Schoeningh, 1923), II, 266.
17. Cf. Compendium theologiae dogmaticae, 4th ed. (Turin: Berruti, 1928), I, 225.
18. Cf. Institutiones theologiae fundamentalis, 2nd ed. (Innsbruck: Rauch, 1928), II, 405.
19. Schultes listet als unfehlbare lehrmäßige Entscheidungen von Leo XIII. über die Anglikanischen Anordnungen in seinem Brief Apostolicae curae, and über den Amerikanismus in seinem Brief Testem benevolentiae, und die Lehren von Pius X in der Enzyklika Pascendi dominici gregis, in seiner in seiner Bestätigung des Dekrets des Heiligen Offiziums Lamentabili, and in seinem Motu proprio, Sacrorum antistitum, in dem die Formul des Anti-Modernisten-Eides enthalten ist. Er lehrt, dass Pius IX. zwei dogmatische Definitionen getroffen hat, in the Bulle Ineffabilis Deus and in seiner Bestätigung der Dekrete des Vatikanischen Konzils. Alle anderen lehrmäßigen Handlungen während der letzten Pontifikate bis 1930 werden folglich als nicht unfehlbar eingestuft. Cf. De ecclesia catholica praelectiones apologeticae, 2nd edition prepared by Fr. Edmund Prantner (Paris: Lethielleux, 1931), pp. 643 ff.
20. Cf. De ecclesia Christi tractatus apologetico – dogmaticus (Rome: Arnodo, 1940), p. 576,
21. Cf. The Church: Its Divine Authority, translated by Dr. Edwin Kaiser (St. Louis: B. Herder Book Co., 1938), I, 519.
22. Cf. Institutiones theologiae dogmaticae in usum scholarum, 2nd ed. (Innsbruck: Rauch, 1934), I, 519.
23. Cf. “The Church on Earth,” in The Teaching of the Catholic Church: A Summary of Catholic Doctrine arranged and edited by Canon George D. Smith (New York: The Macmillan Company, 1949), II, 719.
24. Magenot lehrt, dass „die Enzykliken der Päpste bis heute keine ex cathedra Definitionen unfehlbarer Autorität darstellen“, aber er lehrt auch, dass der Heilige Vater, wenn er will, unfehlbare Definitionen in diesen Briefen aussprechen kann.. Cf. DTC, V, 15.
25. Cf. Valeur des decisions doctrinales et disciplinaires du Saint-Siège, 2nd ed. (Paris: Beauchesne, 1913), pp. 52 ff.
26. “L’autorité des encycliques pontificales d’apres Saint Thomas,” in Revue thomiste XII (1904), 512-32.
27. “Must I Believe It?” in The Clergy Review, IX, 4 (April, 1935), 296-309.
28. Cf. Bainvel, De ecclesia Christi (Paris: Beauchesne, 1925), p. 216; Choupin, op. cit., pp. 52 f.; Schultes, loc. cit.
29. Cf. De ecclesia tractatus historico-dogmatici (Freiburg im Breisgau: Herder, 1925), II, 113.
30. Cf. Summa apologetica de ecclesia catholica ad mentem S. Thomae Aquinatis, 3rd ed. (Regensburg: Manz, 1906), pp. 622 f.
31. Cf. Tractatus de Romano Pontifice cum prolegomeno de ecclesia, 2nd ed. (Prato: Giachetti, 1891), pp. 718 ff.
32. Pegues, op. cit., pp. 531 f.
33. Lercher, op. cit., p. 250.
34. Cf. Christianity and Infallibility – Both or Neither, 3rd impression (New York: Longmans, Green, and Co., 1916), pp. 283 f.
35. Cf. La saint église catholique (Tournai and Paris: Casterman, 1947), pp. 306 ff.
36. Cf. L’église et son gouvernement (Paris: Grasset, 1935), p. 32.
37. Cf. Enchiridion theologiae dogmaticae generalis, 6th ed. (Brescia: Weger, 1932), p. 722.
38. Cf. Mangenot, loc. cit.
39. Cf. Commentarii theologici, 3rd ed. (Paris: Lethielleux, 1930), I, 441
40. Cf. Dieckmann, op. cit., pp. 121 f. –
Von Pater Joseph Clifford Fenton
Auszug aus: American Ecclesiastical Review, Vol. CXXI, August 1949.

übersetzt aus dem englischen Original:
http://www.catholicapologetics.info/apologetics/protestantism/piutreatise.htm

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