Prophetie
Was ist der Gräuel der Verwüstung im Neuen Bund?
Immer wird uns die Zukunft mehr oder weniger verborgen bleiben, und die Dinge werden anders kommen, als wir es angenommen haben, so dass der hl. Irenäus sagen kann: „Die Prophetien sind vor ihrer Erfüllung für uns Geheimnisse, für die wir keinen Schlüssel haben.“ Zudem trägt diese letzte Prophezeiung nach ihrem eigenen Wortlaut ihr Geheimnis selbst ins sich: „Sie wird verschlossen und versiegelt bleiben“. Daniel erklärt, daß er sie nicht verstanden hat: „audivi et non intellexi“, und als er um die Erklärung bittet, sagt selbst der Engel, dass diese erst zur festgesetzten Zeit gegeben wird: „usque ad praefinitum tempus“. Mehr noch: zur Zeit der Erfüllung werde die Gottlosen nichts begreifen, nur die, die unterrichtet sind, werden es verstehen.
Es gibt gewisse Dinge allgemeiner Art, die der Text selbst ans Licht bringt: diese Krise wird speziell von Gott verfügt und ein Mittel der Reinigung für die letzte christliche Generation sein, diese Generation, die die furchtbaren Verfolgungen der ungeheueren Katastrophe sehen wird: „Quasi igne probantur multi“ („Viele werden geprüft werden im Feuer der Leiden“). Wir wissen somit u.a., dass zur Zeit der schrecklichen Verfolgungen in der Endzeit die Ausübung der wahren Religion geächtet sein und dass infolge dessen die Verehrung des wahren Gottes aufhören wird, zumindest die öffentliche. Der wahre Gotteskult wird also da aus der Öffentlichkeit verbannt sein, wo das immerwährende Opfer aufhört oder unterdrückt sein wird. „A tempore cum oblatum fuerit juge sacrificium“. Hier, bei der dritten Prophezeiung werden weder der Tempel noch das heilige Land erwähnt. Das Opfer, welches hier gemeint ist, ist also das Opfer den Neuen Bundes, dem erst recht die Bezeichnung „juge sacrificium“ zukommt, da es ja überall und zu allen Zeiten des Tages auf der ganzen Erde gefeiert wird. Gemeint ist also das Opfer unserer Altäre, die hl. Messfeier, die in diesen Tagen überall geächtet, überall untersagt sein und die – abgesehen von jenen hl. Messopfern, die in den Katakomben, im Dunkeln und Verborgenen gefeiert werden – überall unterbrochen sein wird.
Sodann wissen wir, dass zur selben Zeit der Gräuel der Verwüstung aufgerichtet wird: „… et posita fuerit abominatio desolationis“. Aber was bedeutet dieses Mal der „Gräuel der Verwüstung“? Offenbar doch etwas ähnliches wie zur Zeit des Königs Antiochus, als der Tempel in Jerusalem dem Jupiter-Zeus geweiht wurde und von allen Arten von Verunehrungen und Profanationen befleckt wurde. Es muss also irgendeine monströse Idolatrie sein, ein Götzendienst, der in unseren Gotteshäusern aufgerichtet wird, die damit zu Tempeln des ‚Gottes der Humanität‘, des ‚Gottes der Vernunft‘, des innnerweltlichen ‚Gottes‘ umfunktioniert werden, der nun, nach so vielen Anstrengungen des freien Denkens, endlich triumphiert über den transzendenten Gott der Offenbarung: irgendein luziferisches Geheimnis ausgebrütet in den finsteren Konventen der Freimaurer und eingeführt in aller Öffentlichkeit an der Stelle und am Ort der umgestürzten )oder verdeckten) Tabernakeln, irgendeine obskure Anbetung, bestimmt für Idole aus Fleisch und Blut, wie es schon einmal in der Französischen Revolution geschehen ist … oder irgend etwas ähnliches. –
aus: Kardinal Louis Billot, Die Parusie, Pro fide Catholica IV. Kapitel: Besonderheiten beim hl. Matthäus und beim hl. Markus über den Gräuel der Verwüstung, den der Prophet vorausgesagt hat. S. 47 – S. 48