Nur Keusche bilden die Streitmacht Christi

Apokalypse – Das Lamm schützt die Seinen

Das Lamm schützt die Seinen. Kap. 14, Vers 1-5. Nur Keusche bilden die Streitmacht Christi

Es ist nicht Schicksal, wenn einer für Christus kämpfen, leiden und sterben muss. Nur Begnadete und Auserwählte bilden die Streitmacht des Lammes. Das wird nochmals hervor gehoben, nachdem schon in den Namen des Lammes und seines Vaters auf ihren Stirnen darauf hingewiesen wurde. Wie wertvollste Edelauslese sind sie aus den Menschen erkauft und als Erstlingsgabe Gott und dem Lamm geweiht worden. Nicht daß weitere Gaben folgen müssten, besagt hier dieser Ausdruck, sondern daß die Blüte der Menschheit zu den Hundert vierundvierzig tausend gehört.

Wie im Gefolge des Lammes nur reine und edle Menschen Platz haben, so auch nur wahrhaftige. Lüge in jeder Form eignet dem Satan und seinen Helfershelfern. Verschlagenheit, Hinterlist, Doppelzüngigkeit und Heuchelei sind so im Schwang bei ihnen, daß einer dem andern nicht traut. Christus dagegen hat die reinen Herzen selig gepriesen. Das sind im Sinne der Bergpredigt die einfachen, geraden, treuen Menschen, die nichts zu verbergen haben, sich ehrlich geben, wie sie sind, und zu ihrem Wort stehen. Wahrheitsliebe und Keuschheit sind Schwestern. Nur wahrhaftige und keusche Menschen sind innerlich, geistig gesund. Der Unzüchtige dagegen will anders scheinen, als er ist, es sei denn , daß er schon jedes Schamgefühl verloren hat. Er ist geistig, im Wesenskern morsch und krank. Die Kriegerschar des Lammes auf dem Sion erfüllt also die Forderung des alt-testamentlichen Prozessions-Liedes beim Einzug des Königs:

„Wer darf den Berg des Herrn besteigen,
wer darf an seiner heiligen Stätte stehen?
Wer reine Hände hat und lautern Herzens ist,
wer sein Begehren nicht auf Eitles richtet
und keinen Eid zum Truge leistet“ (Ps. 24 [23], 3-4)

Wie das Gotteslamm selbst ohne Makel ist (Is. 53, 9; Hebr. 9, 14; 1. Petr. 1, 19), so wird auch von seiner Umgebung die Makellosigkeit rühmend ausgesagt, wenn auch nicht im absoluten Sinn, weil kein Geschöpf die Vollkommenheit des Gottmenschen zu erreichen vermag. Darüber hat gerade Johannes keinen Zweifel gelassen (Joh. 8, 46; 1. Joh. 1, 8). Die Vulgata hat den letzten Satz: „Ohne Makel sind sie nämlich“, erweitert durch die Worte: „vor dem Thron Gottes“. Der Zusatz gehört nicht zum Urtext, hat aber viel zu der irrtümlichen Auffassung der ganzen Vision beigetragen, als spiele sie sich im Himmel ab und schildere das jenseitige Glück der heiligen Jungfrauen. Darum wundert es uns nicht, daß wir den Zusatz im lateinischen Kommentar des Bischofs Primasus von Hadrumet in Afrika (6. Jahrh.) nicht finden. Er hat nämlich die Hundert vierundvierzig tausend richtig als Kampftruppe des Lammes aufgefaßt und den Zweck der Vision im Rahmen des Ganzen klar erkannt. Ebenso fehlt der Zusatz im Text des Tychonius (vor 380) und Cyprian. Primasius bemerkt zu der Stelle: „Nachdem das Bild gezeigt worden ist, dem die Gegnerschaft Verehrung zollt und dem sie sich ähnlich macht, das Bild des Tieres, musste auch das unbesiegbare Heerlager der Kirche dargestellt werden, damit nicht etwa ein schwaches Gemüt annähme, eben diese Kirche sei einem so heftigen Ansturm der Verfolgung unterlegen oder sei untergegangen. Und damit keiner glaubt, aus der Zahl der Auserwählten sei einer verloren gegangen, wollte er jene erwähnen, die sich entschlossen haben, den Pfad des strengeren Lebens und den schmaleren Weg zu beschreiten.“ Ein Schriftbeweis für die besondere Aureole der Jungfrauen in der himmlischen Seligkeit ist mithin aus Offb. 14, 1-5 nicht zu entnehmen. Die Stelle ist ein herrlicher Lobpreis auf den Heroismus jungfräulicher Nachfolge Christi auf Erden. –
aus: Herders Bibelkommentar, Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Bd. XVI.2, 1942, S. 212 – S. 213
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