Hl. Johannes, Apostel und Evangelist
Die drei Briefe des heiligen Evangelisten Johannes
Der erste Brief des heiligen Johannes ist seit den ältesten Zeiten des Christentums als eine echte Schrift dieses Apostels so allgemein anerkannt worden, daß dasjenige, was Einzelne gegen seine Echtheit vorgebracht haben, ganz unbedeutend und keiner Beachtung wert erscheinen muss. Nicht nur sprechen dafür die gewichtigsten äußeren Zeugnisse, eines Polykarp, der ein Schüler des heiligen Johannes war, eines Irenäus und anderer Väter aus der ältesten Zeit, auch der ganze Inhalt, die Darstellung und Sprache nötigen uns, in dem Brief denselben Verfasser zu erkennen, welcher das vierte Evangelium geschrieben hat.
Wie in diesem der heilige Johannes den Satz zu beweisen sucht, daß Jesus Christus der Sohn Gottes, Gott sei; so weist der Brief beständig darauf hin, und die Gläubigen werden vor den Irrlehrern, welche dies leugneten, beständig gewarnt. Die Anmahnungen zur gegenseitigen Liebe, die im Evangelium so nachdrücklich gegeben werden, kehren in dem Brief fast wörtlich wieder (2, 7-11), und in den weiteren Erklärungen der Liebe (5, 3; 3, 22-24; 2, 24) kann man den Verfasser von Joh. 14,15; u. 21; 15, 9 u. 10 unmöglich verkennen, gleich wie auch in der Sprache und Darstellung des Briefes dieselbe Tiefe der Empfindung, dieselbe umgezwungene, natürliche Folge der vorgetragenen Gedanken sichtbar sind, wie sie in dem Evangelium bewundert werden.
Nach dem allgemeinen Urteil der christlichen Kirche war dieser Brief das Begleitschreiben des Evangeliums (1, 1-3), und wurde also nach dem Evangelium, und wahrscheinlich wie dieses zu Ephesus verfaßt (siehe Einleitung zu den Evangelium Johannes). Der Apostel warnt darin die Christen der kleinasiatischen Gemeinden, die unter seiner oberhirtlichen Sorge standen, sich vor der Welt, vor allen ungöttlich-gesinnten Menschen sorgfältig zu hüten, und zeigt, daß mit dem Glauben ein christlicher Wandel verbunden sehen müsse: hierauf bekämpft er insbesondere jene Irrlehrer, die sich einer höheren Weisheit rühmten, die wirkliche Erscheinung und Geschichte Jesu entweder ganz leugneten oder als bedeutungslos schilderten, und durch ihre bösen Sitten und Spaltungen das größte Ärgernis gaben.
Der zweite Brief ist an eine Frau namens Electa (Auserwählte) geschrieben, um dieselbe in der christlichen Wahrheit und Liebe zu befestigen und vor Irrlehrern zu warnen; der dritte ist an einen gewissen Gajus gerichtet, vorzüglich um ihn zu ermahnen, gastfreundschaftlich zu sein. In beiden Briefen nennt sich Johannes nicht persönlich als Verfasser, sondern schreibt unter dem allgemeinen Namen „Ältester“: daß er indes wirklich der Verfasser sei, dafür sprechen nicht nur Inhalt und Darstellung dieser Briefe, die mit dem Evangelium (siehe den Beitrag: Der hl. Johannes ist der Verfasser des vierten Evangeliums) und dem ersten Brief ganz übereinstimmend sind, sondern auch die Überlieferung der christlichen Kirche, auf deren Grund die Konzilien von Karthago, Rom und Trient sie in das Verzeichnis der heiligen Schriften aufgenommen haben. Über Zeit und Ort der Abfassung weiß man nichts Zuverlässiges. –
aus: Joseph Franz Allioli, Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Aus der Vulgata, 6. Bd. 1838, S. 406 – S. 407